Resilienz: Die Reise zur eigenen Stärke

Unsichere Zeiten, Inflation, Krieg und Klimawandel um nur einige Faktoren zu nennen,  die sicherlich noch länger unser Leben begleitet, ist Resilienz, die psychischen Widerstandsfähigkeit,  wichtig im Umgang  mit der herausfordernden Zeit.

Resilienz ist erlernbar

Wie ist es möglich, sie aufzubauen und wie kann Yoga diesen Prozess stärken? Manche Menschen haben aufgrund ihrer Kindheit ein gutes Fundament. Doch das Besondere ist: Resilienz ist erlernbar – unabhängig vom Alter. Ich konnte mit Timo Wahl, Yogalehrer, der mich sehr geprägt hat, über Resilienz und Yoga sprechen.

„Die Kunst des Lebens ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wurde.“

Dieses Zitat stammt vom großen Staatsmann Winston Churchill, der wusste, wovon er sprach. Denn er litt unter Depressionen. Es gibt Menschen, die trotz Krankheit, Schicksalsschlägen oder Niederlagen immer wieder aufstehen und von Neuem beginnen. Über welches Geheimnis verfügen sie?

Timo Wahl, Yogalehrer und Gründer eines Yogastudios in Frankfurt erklärt den Zusammenhang von Resilienz und Yoga.

Timo Wahl, Yogalehrer und Gründer eines Yogastudios in Frankfurt erklärt den Zusammenhang von Resilienz und Yoga.

Die Frage und die Suche nach der Antwort haben Timo Wahl bereits in seinem Studium der Sportwissenschaft begleitet. Denn gerade der Sport und das heutige Leben sind zum großen Teil geprägt von dem Motto “höher, schneller und weiter“. Dies führt zu einem permanenten Stressgefühl. Krankheitsbilder wie z.B. Burnout oder Erschöpfungsdepressionen stehen an der Spitze der Statistiken von Fehltagen und Krankmeldungen. Weder den alltäglichen Anforderungen des Lebens der modernen Welt noch den großen Unsicherheiten der politischen Lage rund um den Globus kann man entfliehen. Hilflosigkeit macht sich breit – die Seele ruft um Hilfe, körperliche Symptome stellen sich ein, bis es dann zum psychischen Zusammenbruch kommt.  Somit stellt sich die Frage: Was macht uns stark gegen Stress, Depressionen und Burnout?

Nikos Kazantzakis hat in seinem Roman „Alexis Sorbas“ ein Bild der Antwort aufgezeichnet. Seine Titelfigur feiert inmitten der Katastrophe mit dem Tanz eines Sirtaki das Leben, lacht selbst angesichts von Niederlage und Scheitern über sich selbst. Deshalb ist Alexis Sorbas niemals völlig besiegt, weder durch die Welt, noch durch seine eigene, ziemlich große Verrücktheit.

In herausfordernden Zeiten kommt es darauf an, wie man die eigenen Ressourcen einsetzt, erklärt Timo Wahl.

In herausfordernden Zeiten kommt es darauf an, wie man die eigenen Ressourcen einsetzt, erklärt Timo Wahl.

Die geheimnisvolle Kraft der Resilienz

Diese Szene enthält das gesamt Rezept der geheimnisvollen Kraft der Resilienz, der psychischen Widerstandfähigkeit in sich. Wie ist es möglich, sie aufzubauen und wie kann Yoga diesen Prozess stärken? Manche Menschen haben aufgrund ihrer Kindheit ein gutes Fundament. Doch das Besondere ist: Resilienz ist erlernbar – unabhängig vom Alter. Um sich mit der eigenen psychischen Widerstandsfähigkeit auseinanderzusetzen, ist es wichtig, auf der Matte zu erkennen, was ist bereits vorhanden und was wäre hilfreich, noch zu stärken und zu entwickeln.

Yoga und Resilienz

Ein entscheidender Faktor für die Stärkung ist die Selbstwirksamkeit, die in der Yogapraxis auf der Matte direkt erlebbar ist. Das Erfühlen einer kleinen Korrektur in einer Asana – sei es auf der körperlichen oder auf der geistigen Ebene – kann das Empfinden komplett verändern. Das bedeutet das Heraustreten aus der Opferrolle in die Bereitschaft zur Aktivität.

In unserer sehr kopflastigen Gesellschaft bietet die Yogapraxis die Möglichkeit, vom Denken ins Fühlen zu kommen, ohne Wertung einfach zu sein. In der Yin-Praxis und der Meditation kann man spüren, wie sich Dinge verändern, wenn man sie aufspürt und annimmt. Somit werden Ressourcen, die bereits vorhanden sind, weiter aufgebaut, wird die eigene Stärke erkannt und Handlungsfähigkeit wiederentdeckt. Indem wir immer wieder hinaus aus der Komfortzone gehen, lernen wir, mit unvertrauten Situationen besser umzugehen, Unbekanntes nicht gleich abzulehnen, sondern anzunehmen. Dabei spielt das Shradda – das Vertrauen in die Lehre, in sich, in das Leben – eine große Rolle: Vertrauen, dass alles in einem ist, was man zum Leben braucht. Vertrauen bedeutet, ohne Bewertung zuzulassen, den Moment anzunehmen.

Resilienz ist mentale Stresskompetenz.

Resilienz ist mentale Stresskompetenz.

Es ist gut so, wie ich im Moment bin

Yoga gibt den Rahmen dafür, so zu sein, wie man ist. Dazu gehört, bewusst das Beste zu geben, aber nicht das Streben, der Beste zu sein. Heute fühle ich mich im herabschauenden Hund wohl, am nächsten Tag in der Krähe. Aber egal, ob ich die Krähe, den Handstand oder den Hund mache: Mein Platz auf der Yogamatte im Raum hat seine Berechtigung – es ist gut so, wie ich im Moment bin.  In der Stunde sollte es kein gut oder schlecht geben. Entscheidend ist vielmehr, was ist im Moment möglich ist, was Du psychisch und körperlich brauchst, um dies umzusetzen. Für mich als Lehrer bedeutet dies, dass ich in den aktiven Positionen stark auf das Alignement für die gesunde und sichere Ausrichtung achte. Bei loslassenden Positionen, bei denen kein Verletzungsrisiko vorhanden ist, gebe ich den Yogis hingegen bewusst viel Spielraum, um sich in der Asana auszuprobieren und zu entdecken.

Der Moment des Loslassens

Einerseits gibt ein vorgegebener Rahmen, also eine Sicherheit Orientierung und Halt. Zugleich ist der Rahmen auch eine Begrenzung. Eine gewisse Zeit ist es sicherlich gut, eine vorgeschriebene Ausrichtung zu haben. Doch irgendwann kommt der Moment des Loslassens. Durch das Festhalten des Rahmens, der von außen gekommen ist und somit auch ein Symbol für Limitierung ist, wird das Erkennen der eigenen Grenzen wertfrei schwierig. Durch die Aufhebung des vorgegebenen Rahmens löst sich das vorhandene Bewertungssystem auf. Somit entsteht eine neue Erfahrung zu erleben, die nicht belegt durch eine Vorgabe von außen ist. Dieses Ausprobieren und Entdecken ist nur möglich, wenn ein Vertrauensverhältnis von Schüler zum Lehrer besteht.

Entscheidende Qualitäten zum Aufbau von Resilienz

Wer regelmäßig Yoga praktiziert, baut die Fähigkeit aus, durch einen bewussten Umgang mit den eigenen Grenzen ein stetiges, langsames und damit gesundes Wachstum zu entwickeln. Daraus entsteht die Stärke, auch mit Niederschlägen im Leben besser umzugehen. Ziele und Wünsche brauchen Zeit und Raum für Entwicklung. Die Akzeptanz der Tatsache, nicht sofort alle angestrebten Ziele erreichen zu müssen, kann sicher auch im wahren Leben Situationen des Strauchelns ins rechte Licht rücken und die darin enthaltene Chance erkennen lassen. Dieses Auf und Ab als normal zu empfinden und nicht zu bewerten, ja sogar gestärkt aus ihm hervorzugehen, macht widerstandsfähiger und letztendlich resilient. Yoga-Training kann Menschen also besser in ihre Balance bringen, indem sie unbewusst oder bewusst an ihrer inneren und äußeren Widerstandkraft arbeiten. Zudem gibt Yoga Werte und bringt uns wieder mit unseren eigenen Werten in Verbindung. Das sind ganz entscheidende Qualitäten zum Aufbau von Resilienz. Und nicht vergessen:

                                        „Wir üben jeden Tag Leben“.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Timo Wahl, einen der Yogalehrer dessen Reatrets für mich besondere Highlights sind.

Fotocredit: wohl-ergehen.de

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