Momentaufnahme mit einem Pinselstrich

Lautlos gleitet die Pinselspitze über das weiße Blatt Papier und hinterlässt eine ästhetische Spur ­– ein Schriftzeichen. Unter Kalligraphie, auch „Shodo“ genannt, versteht man nicht nur die Kunst des Schönschreibens. Sie gilt auch als Philosophie für Geist und Seele. Das bewussteFühren des Pinsels über das leere Blatt verbindet Harmonie und Spannung, Ruhe und Konzentration, Freiheit und Disziplin. Kaligraphie bedeutet, im Jetzt zu sein.

Tief versunken in dem Moment, wenn die Pinselspitze das Papier berührt.

 

Bis heute hat das „Shodo“ in Japan einen unverändert hohen Stellenwert. In Deutschland erfreut sich die Kalligraphie wieder großer Beliebtheit. Zahlreiche Seminare, Blogs, Webseminare und Bücher beschäftigten sich mit der Kunst des schönen Schreibens.

Der Reiseveranstalter Indigourlaub bietet mit der Kalligraphie-Peformance-Künstlerin Junko Baba Seminare an. Die Opernsängerin bekam von klein auf Kalligraphie-Unterricht und folgte damit einer Famlientradition: Ihr Urgroßvater gründete eine der ersten Kalligraphie-Schulen in Kyushu/Japan. Ihr Großvater war ebenfalls ein Meister seines Fachs, ihre Mutter ist es noch heute. Junko Baba leitet die europäische Zweigstelle der Nihon Shuji Kalligraphie Gesellschaft, ist Lehrbeauftragte an der Universität Wien und eine der aktivsten Performance-Künstlerinnen der japanischen Kalligraphie in Europa.

Welche Werkzeuge benutzt man im „Shodo“?

Der Reibstein, einer der vier Schätze der Materialien für die Kalligraphie.

Der Reibstein, einer der vier Schätze der Materialien für die Kalligraphie.

Die sogenannten „Vier Schätze“ – Pinsel, Tusche, Reibstein sowie Papier – werden aus verschiedenen Materialien hergestellt. Pinsel können aus Schaf-, Pferde-, Wiesel- oder Dachshaar sein oder eine Mischung daraus. Auch das Papier besteht aus verschiedenen Materialien und Stärken. Die Tusche aus Ruß und Leim riecht ein bisschen nach Weihrauch. Das meditative Anrühren mit Wasser auf dem Reibstein ist die ideale Einstimmung auf das Schreiben.

Muss man für „Shodo“ stillsitzen können?

In Japan bekommen schon Drittklässler Unterricht in Kalligraphie. Dadurch lernen sie, ruhig zu sitzen und konzentriert zu arbeiten. „Shodo“ ist eine gute Hilfe, um zur Ruhe zu kommen. Übung macht natürlich auch dort den Meister.

Wie läuft eine Unterrichtsstunde ab?

Das Anrühren der Tusche dient zur Vorbereitung auf das Schreiben. Dann werden Grundregeln hinsichtlich korrekter Körper- und Pinselhaltung sowie Strichrichtung erklärt, danach wird der Schüler selbst aktiv. Schon nach einiger Zeit kann man ein vollständiges Schriftzeichen schreiben. Wichtig dabei ist, keine Linie ein zweites Mal nachzuziehen. 

Sie gelten als eine der aktivsten Performance-Künstlerinnen japanischer Kalligraphie in Europa.

Das stimmt. Ich schreibe japanische Schriftzeichen mit sehr großen Pinseln und Papieren vor Publikum. Je nach Thema der Veranstaltung bereite ich mich einige Wochen darauf vor. Dabei arbeite ich meist mit einem Trommelspieler zusammen, der mich während meines Schreibens – von ein paar Sekunden bis zu ein paar Minuten – begleitet.

Zudem sind Sie auch ausgebildete Opernsängerin. Erzählen Sie uns doch bitte etwas über die Berührungspunkte zwischen beiden Kunstformen.

Musik und Kalligraphie haben viel gemeinsam. Bei beidem bereitet man sich gut vor, muss ständig üben. Grundregeln gelten für jede dieser Disziplinen, die Interpretation jedoch gewährt Raum für Persönliches. Und wer auf der Bühne arbeitet – sowohl in der Musik als auch in der Performance-Kalligraphie – weiß, dass es nur eine Chance gibt: perfekt zu performen. Vor Publikum einfach nochmal von vorne anzufangen, geht nicht.

wohlergehen hat nachgelesen

Das Buch Tintentanz lädt ein zum Tanz mit den Buchstaben.

Das Buch Tintentanz lädt ein zum Tanz mit den Buchstaben.

Zum Vertiefen gibt es eine vielseitige Auswahl von Büchern rund um das Thema Kalligraphie und „Shodo“.

Karin Shepherd-Kobel, Autorin von „Zen in der Kunst der Tuschmalerei“ aus dem Theseus Verlag, lebte zehn Jahre in Japan und erlernte dort Tuschmalerei und Kalligraphie. Das Buch vermittelt die Grundlagen und den Geist dieser Zen-Künste. Anhand persönlicher Erzählungen zu ihrem Weg geht sie auf aktuelle Themen ein, z.B. „Wie finde ich die Zeit und die innere Kraft um kontinuierlich einen Weg zu gehen“. Durch den klaren und feinen Sprachstil ist der Text nicht belehrend, sondern eine Einladung, sich auf das Jetzt und den kreativen Prozess der Kalligraphie einzulassen.

„Schreiben mit Hand & Herz“ (Verlag Hermann Schmidt) kreist um die Leidenschaft von Gottfried Pott – Kalligraphie. In diesem sehr persönlichen Buch teilt der Autor, der sich seit mehr als 30 Jahren mit Kalligraphie beschäftigt, seine Gedanken und Werte, seine Auseinandersetzungen mit Texten und Inspirationsquellen. Seine Leidenschaft ist in jeder Zeile des Buches zu spüren. Zahlreiche Abbildungen seiner Kalligraphien unterstreichen den Text.

 

Die Leidenschaft der Kalligraphie in Buchform.

„Im Rhythmus des Schreibprozesses entscheidet die Hand manchmal zögernd, manchmal voreilig, bevor der Gedanke sich entschieden hat, gestaltet zu werden.“

 

Tanzende Buchstaben verzaubern den Leser des Buchs „Tintentanz“ von Hans-Jürgen Willuhn und Pauline Altmann (Verlag Hermann Schmidt). Die Ausdruckskraft der eigenen Handschrift zu entdecken, ist der rote Faden ihres Kalligraphie-Konzepts und ihre Idee, frei von der „Kunst des schönen Schreibens“ den Sinn eines Textes in eine passende Schriftsprache zu inszenieren und die eigene Handschrift als Ausdrucksmittel unserer Persönlichkeit zu erkennen. Der großzügige und grafisch sehr ansprechend umgesetzte Teil mit Abbildungen von verschiedensten Umsetzungen gibt Inspirationen und zeigen die Freiheit der eigenen Schrift.

Schönheit und Kalligraphie sind untrennbar miteinander verbunden.

Schönheit und Kalligraphie sind untrennbar miteinander verbunden.

Frank Berzbachs Buch „Die Form der Schönheit“ (Eichborn) beschäftigt sich nicht explizit mit der Kalligraphie, sondern mit der Schönheit als Quelle für Lebenskunst. Alleine das außergewöhnliche Buch in die Hand zu nehmen, ist erfüllend für den Leser. Eine aufwändige Bindetechnik, die an japanische Bücher erinnert, ein besonders haptischer Einband, der die Finger einlädt, über den Buchrücken zu streichen, und ein erlesenes Layout unterstreichen den Text. Ein kleines Gesamtkunstwerk.

 

Beitragsbild 1 Fotocredit:  Junko Baba/indigourlaub

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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